08.05.2017
Immer wieder taucht die Frage auf, ob die internationale Sprache Esperanto eine lebende Sprache ist. Die Ungarische Akademie der Wissenschaften hat das schon 2004 in einem Gutachten bestätigt.
Gutachten der Ungarischen Wissenschaftlichen Akademie 2004
Das Gutachten findet sich (auf Ungarisch) auf den Seiten eszperanto.hu. Eine Esperanto-Übersetzung kann man auf einer anderen Seite lesen ("Hungara Scienca Akademio"). Laut diesem Text hat das Sprachwissenschaftliche Institut der Ungarischen Wissenschaftlichen Akademie am 29. Januar 2004 in einer Antwort auf eine ministerielle Anfrage erklärt, dass es die "einhellige Auffassung von führenden Fachleuten des Sprachwissenschaftlichen Instituts der Ungarischen Akademie der Wissenschaften" ist, "dass Esperanto zur Kategorie der lebenden Sprachen gehört. Bei einer eingehenderen, die Geschichte sowie den derzeitigen Stand der Sprache Esperanto berücksichtigenden Betrachtung ergibt sich, dass Esperanto a) weitgehend normiert ist, b) weitgehend in die Gesellschaft eingebettet, c) eine nicht-ethnische lebende Sprache ist, die innerhalb einer zweitsprachlichen Gemeinschaft alle denkbaren sprachlichen Funktionen erfüllt und gleichzeitig als Brückensprache funktioniert.
Das oben Gesagte gibt den wissenschaftlichen Standpunkt unseres Institutes wieder."
Esperanto-Prüfungen: Punkte für die Studienzulassung
Das Gutachten war eine der Grundlagen dafür, dass staatlich anerkannte Esperanto-Prüfungen weiterhin als Nachweis von Fremdsprachkenntnissen genutzt werden können. In Ungarn müssen Studenten ausreichende Fähigkeiten in einer oder zwei lebenden Fremdsprachen nachweisen - Esperanto ist hier zugelassen. 2016 wurde gemeldet, dass es für bestandene Esperanto-Sprachprüfungen Punkte bei der Aufnahme zum Studium gibt.
Über 35.000 Esperanto-Sprachprüfungen
Seit dem Jahr 2000 wurden in Ungarn über 35.000 staatlich anerkannte Esperanto-Sprachprüfungen abgelegt. Auf den Seiten der Aufsichtsbehörde nyak.hu sind die Zahlen der angemeldeten Prüflinge der letzten zehn Jahre veröffentlicht (auch nicht bestandene Prüfungen); Esperanto liegt mit 44.866 Kandidaten an dritter Stelle nach Englisch und Deutsch. Auf der Wikipedia-Seite "Statistiko de Esperantujo" finden sich die Zahlen für die bestandenen Prüfungen seit 2000.
Von einem Sprachprojekt zu einer lebenden Sprache
Die Tatsache, dass Esperanto im Laufe der Jahrzehnte zu einer lebenden Sprache geworden ist, wurde in wissenschaftlichen Veröffentlichungen bereits früher dargelegt. So veröffentlichte Alicja Sakaguchi 1992 einen Aufsatz " Der Weg von einem Sprachprojekt zu einer lebenden Welthilfssprache. Einige Aspekte des Statuswandels, dargestellt am Beispiel des Esperanto", erschienen in: Ulrich Ammon und Marlis Hellinger (Hrsg.). Status Change of Languages. De Gruyter, Berlin 1992. (Der Ausdruck "Welthilfssprache" ist mittlerweile nur noch selten zu finden, üblicher ist "geplante Sprache" oder "Plansprache".)
Etwa tausend Esperanto-Muttersprachler
Übliches Kriterium für die Frage, ob eine Sprache lebt, ist die Existenz von Muttersprachlern. Heute gibt es etwa tausend Esperanto-Muttersprachler, einige sogar schon in der zweiten oder dritten Generation, wie etwa bei dem Sprachwissenschaftler Harald Haarmann nachzulesen ist.